Weiterentwicklung
(FW) Mit der
V 100 konnte die Deutsche Reichsbahn den Traktionswechsel ein
gutes Stück vorantreiben. Aufgrund ihrer geringen Achslast war
sie in der Lage, auf den Nebenbahnen die Tenderloks (z.B. BR 64,
78, 86, 93) abzulösen. Auf den Hauptbahnen lag sie im
Leistungsbereich der BR 38 und 23.10, die nunmehr verstärkt
abgestellt werden konnten. Petroleum-P8, dieser
Spitzname charakterisiert treffend unsere Baureihe. Als neues
Mädchen für alles war sie bald wie die gute alte
preußisches P8 (BR 38.10-40) überall zu finden. Lediglich die
schweren Schnellzug- und Güterzugdienste blieben außen vor.
Wobei, wenn mal gar nichts anderes verfügbar war, setzte man die
V 100 auch hierfür ein.
Und das gilt bis heute. Als es am 30.08.95
in Bayern zu einem landesweiten Stromausfall in der
elektrischen Oberleitung kam, spannte die
204
664-7 dem IC 701
in Göschwitz vor und beförderte den Zug samt BR 120
über die Saale-Bahn bis Probstzella (dieser Abschnitt
war wegen der elektrischen Zugehörigkeit zu Bayern
ebenfalls betroffen).
204 664-7 am 30.08.95 mit IC 701 in Uhlstädt
Foto:
Frank Weimer
Und wenn mal
eine Lok alleine nicht reichte: 2 Lok mit der
Doppeltraktionssteuerung (die alle Loks besaßen) verbunden...
die V 100 ließen keinen Zug stehen. Sogar in S-Bahn-Diensten
(z.B. in Rostock) war sie aufgrund der ebenfalls bei allen Loks
eingebauten Wendezugsteuerung zu finden.
Ab etwa 1975
verdrängte die BR 132 (Import aus der UdSSR) die bis dahin in
den schweren Diensten eingesetzte BR 118 in den mittleren
Leistungsbereich. Dadurch konnte die BR 110, so hieß die V 100 ab
1970, sich nunmehr auf den leichten Hauptbahndienst und die
Nebenbahnen konzentrieren. Bei dieser Grobeinteilung blieb es
dann bis zum Ende der DR. Gleichwohl war die DR bemüht, unsere
Baureihe durch den Einbau neu- bzw. weiterentwickelter Motoren
effizienter einzusetzen. Den Anfang machte dabei, parallel zur
ebenfalls mit den bekannten 12 KVD 18/21- Motoren ausgerüsteten
BR 118, die
110 457-9.
Die Quellenlage ist dabei widersprüchlich. So soll die Lok zum
einen bereits bei der Abnahme am 30.03.72 mit einem 1200 PS-Motor
ausgerüstet gewesen sein. Zum anderen wurde ihr der neue Motor
erst am 26.10.72 im Bw Leipzig Süd, wo sie auch beheimatet war,
eingebaut. Heute wird die
110 457-9 von der
BSW Freizeitgruppe Leipzig betreut und der Nachwelt aufgehoben.
Leider ist sie nicht mehr betriebsfähig. Interessanterweise ging
die Lok erst am 15.03.73 (also ein Jahr nach der Abnahme) in
Reichsbahn-Eigentum über. Als nächstes wurden im Dezember 1972
die Neubauloks
110 511-3
und
110
512-1 mit solchen Motoren
abgeliefert. An den 3 Maschinen wurde nunmehr eine
Langzeiterprobung durchgeführt. So richtig bewährten sich diese
Motoren nicht, da die Leistungssteigerung im wesentlichen auf
einem erhöhten Arbeitsdruck basierte. Deshalb ging man einen
anderen Weg und rüstete die Motoren mit einem Ladeluftkühler
aus. Laienhaft formuliert, ermöglicht eine Kühlung der
angesaugten Verbrennungsluft, deren größere Verdichtung bei
gleichem Arbeitsdruck. Dadurch steht pro Verbrennungsvorgang im
Zylinder eine größere Luftmenge zur Verfügung und ermöglicht
so eine höhere Leistungsausbeute. Diese Motoren erhielten dann
die Bezeichnung AL-3. Weitere spätere Varianten AL-4 und AL-5.
Auf die einzelnen Unterschiede und die Entwicklungsgeschichte
dieser Motoren soll hier nicht eingegangen werden. Interessenten
seien u.a. auf das Buch Die Baureihe V 180,
EK-Verlag, S.88ff. verwiesen.
Auch die neue
Motorengeneration wurde einer langjährigen Betriebserprobung
unterzogen. Mit der
110 137-7
bekam auch erstmals eine Lok mit Stufengetriebe einen Unterhaltung der BR 110
vom 900 kW/ 1200 PS-Motor. 1979 war die Serienreife erreicht und im Raw Stendal,
das 1975 die Raw Cottbus Hauptuntersuchungen.
Dazu
gehörte nicht nur der Einbau des neuen Motors, sondern auch der eines
leistungsstärkeren Strömungsgetriebes, um die höhere Leistung auch umsetzen zu
können. Des weiteren waren Anpassungen an weiteren Aggregaten (z.B. Kühlung,
Steuerung usw.) notwendig. Die umgerüsteten Lok wurden zunächst nicht sonderlich
gekennzeichnet, doch schon bald machte sich, auch aus betrieblicher Sicht, eine
entsprechende Hervorhebung notwendig. Deshalb wies die HvM an, die Umbauloks mit
Wirkung vom 01.01.1981 als BR 112 zu bezeichnen, die Ordnungsnummer blieb
gleich. Dies ist insofern interessant, als den umgebauten 118ern keine neue
Baureihenbezeichnung zugewiesen wurde. Hier wurden statt dessen die
Ordnungsnummern um 500 bzw. 400 erhöht, bzw. bei der Unterbaureihe 118.1 fand
keine Umzeichnung statt. Verwunderlich, da es durchaus entsprechende freie
Baureihen (z.B. etwa BR 124) gegeben hätte.
Natürlich
wurde nicht jede hauptuntersuchte Lok umgebaut. Mit Stichtag
01.01.84 waren es 234 Exemplare, darunter nur 2 (112 136-7 &
112 137-5) mit
Stufengetriebe. Auffällig ist, dass sich unter den umgebauten
Lok wesentlich mehr Maschinen befanden die 1970 bis 1973 gebaut
wurden. Die jüngeren Lokomotiven (ab 1974) waren seltener
vertreten. Dieser Trend hielt bis zum Ende des Umbaus 1990 an.
Die letzten umgebauten Lok waren
112 882-6 und
112 885-9, die im August 1990 das Raw verließen. Ein Grund
hierfür könnte sein, dass die alten Motoren noch nicht
abgeschrieben waren. Dieser Umstand führte, um hier der
Geschichte ein wenig vorzugreifen, u.a. auch dazu, dass es gerade
die zuletzt gebauten Loks waren, die als erstes ausgemustert
wurden, als man die Baureihe 110 (ab 1992: 201) aufs Abstellgleis
schob.
Die Umbauten wurden weiter fortgeführt.
Insgesamt wurden 504 Umbauten ausgezählt - davon nur 20
Lok mit Stufengetriebe der Reihe 110.0-1. 496 Lok wurden
zum 01.01.92, als die DR das Nummernsystem der DB
übernahm, noch in die neue Baureihe 202 umgezeichnet.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden, und das betrifft alle
Spielarten der V 100, nur schwer beschädigte
Unfallmaschinen ausgemustert und verschrottet. Vielfach
wurden derartige Lok aber auch wieder aufwändig, z.T.
mit neuen Rahmen, wieder aufgebaut. Ein Beispiel hierfür
ist die
110 804-2, die trotz der großen Beschädigung
instandgesetzt wurde.
110 804-2 nach Unfall abgestellt am 28.08.1982 in Magdeburg
Foto:
Sammlung Ralf Wohllebe
Die weitere
Entwicklung der Motoren ermöglichte nicht nur eine
Leistungssteigerung. Gleichzeitig konnten der
Instandhaltungsaufwand und, in der DDR ab 1980 besonders wichtig,
der Dieselverbrauch gesenkt und die Lebensdauer erhöht werden.
Ab 1981 stand ein noch weiter gesteigerter Dieselmotor zur
Verfügung. Die Nennleistung betrug 1100 kW bzw. 1500 PS. Er
wurde ab 1978 in die
110 203-7 und
110 358-9 eingebaut und einer so genannten
Extremerprobung unterzogen. Sie verlief letztlich
erfolgreich, so dass ab 1983 mit den ersten serienmäßigen
Umbauten begonnen wurde. Zunächst wurde die Baureihenbezeichnung
115 vergeben (die Ordnungsnummer blieb wieder gleich). 13
umgebaute Lok und die 2 Umbaumuster wurden so bezeichnet. Im
Sommer 1983 entschied man sich anders. Nunmehr wurden die Lok als
BR 114 bezeichnet, beginnend mit
114 252-0. Bis zur Jahreswende 1983 / 84 wurden auch die
115er in 114er umgenummert. Die nun insgesamt 19 umgerüsteten
Lok wurden überwiegend dem Bw Saalfeld zugewiesen und hier ein
Großversuch durchgeführt. Auch dieser war erfolgreich, so dass
das Raw Stendal ab Jahresende 1984 weitere Umbauten ausführte.
Nunmehr wurde auch beim Bw Kamenz ein größerer Bestand
aufgebaut. Bis zum Dezember 1991 kamen nach und nach immer
weitere Lok hinzu. Auffällig ist, dass diese Umbauten (insgesamt
65 Stück) zu meist in Serien, mit größeren Pausen dazwischen,
durchgeführt wurden. Die letzte Maschine wurde am 18.12.91 vom
Raw Stendal dem Betriebsdienst übergeben. In Anbetracht der zum
01.01.92 vorgesehen Umzeichnung in die BR 204, wurden sie und 3
bis 4 weitere in dieser Zeit umgebaute Lok sofort als 204er
bezeichnet, haben also kein 114er-Schild mehr getragen.
Bei der DR war
die V 100 flächendeckend vertreten. Lediglich 4 Bw (Arnstadt,
Probstzella, Leipzig-Wahren und Altenburg) haben nach bisherigen
Erkenntnissen keine Loks in ihren Bestandslisten geführt. Wobei
nicht ausgeschlossen werden kann, dass es einzelne, kurzzeitige
Beheimatungen gegeben hat, wie es z.B. in Berlin-Schöneweide,
Riesa oder Senftenberg geschehen ist. Auffällig ist, dass die DR
ihre Maschinen nicht gattungsrein in den Bw stationierte. So sind
die Bw, die nur die BR 112 beheimateten, ausgesprochen selten.
Das Gleiche trifft auf die BR 110 zu. Hier wäre eigentlich nur
das Bw Heringsdorf auf der Insel Usedom zu nennen. Die weitaus
meisten Bw setzten nicht nur beide 110-Spielarten (mit und ohne
Stufengetriebe) ein, sondern gleichzeitig auch die BR 112 ein.
Das Verhalten der DR war dabei aber nicht statisch. Durch
Umbeheimatungen gab es in den Bw ständige Veränderungen in den
Beständen. Hochburgen wurden ab- als auch wieder
aufgebaut. Bei der BR 114 ist die Sachlage ein wenig anders.
Nachdem genug Maschinen vorhanden waren, besaßen Kamenz und
Saalfeld ausschließlich diese Baureihe. In Halberstadt, Leipzig
Süd oder Eisenach spielten sie nur eine Nebenrolle. Um
Missverständnissen vorzubeugen: diese Angaben gelten nur für
die DR-Zeit. Die Statistik für die Zeit nach der
Wiedervereinigung sieht völlig anders aus, dazu aber später.
Nun wären
noch 3 weitere Umbauten zu nennen, die ebenfalls zu einer
Änderung der Loknummer führten. Geradezu DDR-typisch ist der
Versuch, die BR 110 in eine 1000 mm- Schmalspurlok umzubauen. Um
den starken Güterverkehr auf der Harzquer- und Selketalbahn
rationell zu betreiben, war der Einsatz der Dieseltraktion
unumgänglich. Das Dilemma bestand darin, dass es in der DDR bzw.
im Ostblock dafür keine Kapazitäten gab und es für den Import
solcher Maschinen aus dem Westen an Devisen fehlte. Die Lösung
bestand nun darin, anstatt der zweiachsigen Drehgestelle die Lok
auf solche mit 3 Achsen und 1000 mm Spurweite zu setzen. Das
Harz-Kamel war geboren. Am 20.11.88 lieferte das Raw
Stendal die erste derartige, ebenfalls mit 1200 PS-Motor
ausgestattete Maschine an das Bw Wernigerode-Westerntor aus. Wie
alle Schmalspur-Dieselloks der DR wurden die Lok in die BR 199,
unter Beibehaltung der Ordnungsnummer, eingeordnet. Mit der
199 863-2 und der kurze Zeit später fertig
gestellten
199 871-5
wurden zunächst umfangreiche Tests vorgenommen, die die
prinzipielle Eignung für die geplanten Einsätze bestätigten.
Im Frühjahr 1990 begann das Raw Stendal dann mit dem
Serienumbau. Vorgesehen war, alle Lokomotiven mit den
Ordnungsnummern 861 896, die noch keinen verstärkten
Motor bekommen hatten, in die Schmalspurvariante umzubauen. Das
wären immerhin etwa 25 Stück gewesen, jedoch wurde die Aktion
schon nach weiteren 8 Umbauten im Dezember 1990 wieder
abgebrochen. Der Güterverkehr war weitestgehend eingestellt
worden und für die Touristen wurden Dampflokomotiven benötigt.
Die 10 Lokomotiven wurden zum 01.01.92 in die BR 299.1
umgenummert, haben die Bezeichnung aber nie an der Lok getragen.
Wie bei den Dampfloks auch, weigerte sich das Personal der
Schmalspurbahn, auch im Hinblick auf die sich abzeichnende
Privatisierung, die Loknummern auszutauschen. Sie wurde daher nur
buchmäßig verwendet.
Den längsten
Zeitraum von der Erprobung bis zum serienmäßigen Umbau
benötigte man bei den Lokomotiven mit hydrodynamischen
Wendegetrieben. Wie bereits angeführt, eigneten sich die Loks
mit Stufengetriebe besonders für den schweren Rangierdienst.
Durch den Einbau der neuen Wendegetriebe wurde man den
Anforderungen jedoch noch besser gerecht, da z.B. bereits im
Auslauf der Lok die Fahrtrichtung gewechselt werden konnte.
Gleichzeitig konnte über das Getriebe hydrodynamisch gebremst
werden, was Radreifen und Bremssohlen schonte.
Schon 1978
wurden die
110 156-7 und
110 161-7 des Bw Halle G mit diesen Getriebe
ausgerüstet und gleichzeitig ein leistungsgeminderter
Motor mit 558 kW / 750 PS eingebaut. Für Vorführungen
im Oktober 1979 erhielt die
110 156-7 kurzzeitig
die Betriebsnummer
108 001-9,
sowie die
110 161-7
die Nummer
108 002-7 . Der 750 PS-Motor bewährte
sich nicht, die Lok erhielten wieder den Ursprungsmotor.
Dafür verloren sie den Heizkessel, der durch ein
Ballastgewicht ersetzt wurde. Mit Wirkung vom 01.01.85
erhielten die Lok die Baureihenbezeichnung 108, diesmal
mit Beibehaltung der Ordnungsnummer. Ebenfalls in diesem
Zeitraum wurden sie dann mit dem orange-gelben Anstrich
der DR-Rangierloks versehen. Dabei blieb es dann. Erst
1990 kam wieder Bewegung in die Sache. Die BR 111, die ja
extra für den Rangierdienst beschafft wurden, bekamen
jetzt das hydrodynamische Wendegetriebe eingebaut. Mit
111
036-0 und
111
037-8 wurden 2
Vorauslokomotiven getestet, die nunmehr als
108
036-5 und
108
037-3 bezeichnet
wurden. Ende 1991 lief dann der Serienumbau an. Die 111er
wurden ab 01.01.92 zur BR 293, die 4 108er, ebenso wie
die dann umgebauten 111 / 293er zur BR 298.3.
108 037-3 am 24.07.1991 in Halle (S)
Foto:
Hansjörg Brutzer
12 Maschinen
wurden im Frühjahr 1990 in Maschinen analog der BR 111 umgebaut,
gleichzeitig erhielt sie den bekannten orange-gelben Anstrich.
Anschließend wurden alle an das VEB
Braunkohlewerk Cottbus
verkauft. 2 von denen (110 107-0 und
110 128-6) wurden allerdings wegen mangeldem Bedarf an die
DR zurückgegeben und dort als
111 107-9 und
111 128-5 eingereiht. Dementsprechend bezeichnete man sie
ab 01.01.92 als 293er, rüstete sie aber nicht mehr in die BR 298
um. 1998 wurden beide Loks dieser Splittergattung ausgemustert
und anschließend zerlegt.
Bleiben noch
die Loks der Reihe 110.9. Sie wurden entsprechend der
DB-Systematik zur Reihe 710.9, denn sie waren ja
Bahndienstfahrzeuge. An den Einsätzen änderte sich zunächst
nichts.
Natürlich gab
es Weiterentwicklungen auch bei anderen Bauteilen. Sie sollen
hier aber nicht weiter erwähnt werden, da sie auf den
Betriebsdienst relativ wenig Einfluss hatten.
Genannt werden
soll hier aber der Einbau von Stufengetriebe (analog BR 110.0-1)
in Loks der BR 112. Bekannt ist hier die
112 486-6. Auch hier besteht über den Sinn und
Zweck noch Unklarheit.
Ab 1988 wurden
einzelne Maschinen mit Indusi <Bauart PZ 80> ausgerüstet.
Der Indusi-Fahrzeugmagnet wurde jeweils rechts vorn am
Drehgestell befestigt, so dass die derart ausgerüsteten Lok
leicht erkennbar waren. Vorrang wurden sie in den an Magistralen
gelegenen Bws beheimatet, da nur hier auch die Strecken mit
dieser Sicherheitseinrichtung ausgestattet waren. Im
gleichen Zeitraum wurden verschiedene Loks mit dem
Zugfunksystem MESA ausgerüstet, die eine Sprechverbindung
zwischen Lokführer und Fahrdienstleiter bzw. Dispatcher
ermöglichter. Diese Lok waren an einer kleinen Antenne auf dem
Dach zu erkennen.