Das Ende
(FW) Als nach
der Währungsunion im Sommer 1990 der Güterverkehr in steigendem
Maße zusammenbrach, ging dieser Kelch im Großen und Ganzen ohne
Einfluss an unserer Baureihe vorbei. Erst als die DR zum
Fahrplanwechsel im Frühjahr 1992 den alten, noch aus der DDR
überkommenen, bedarfsorientierten Fahrplan durch einen
angebotsorientierten Taktfahrplan ersetzte, traf es mehr und mehr
nun auch die V 100. Vielfach gab es jetzt auf Nebenbahnen zwar
bislang nie erreichte Zugzahlen, aber es bewältigten dafür
meist auch nur ein oder zwei Fahrzeuge den Gesamtverkehr, so dass
trotz erheblich ausgeweiteter Kilometerleistungen der
Gesamtbedarf an Tfz weiter zurückging. Auf etlichen Strecken, wo
vorher eine 110 mit 4 oder mehr Reisezugwagen unterwegs war,
reichte nunmehr ein Schienenbus. Dieser Trend setzte sich auch in
den nächsten Jahren, gekoppelt mit Streckenstillegungen fort.
Vor diesem Hintergrund sind vermehrte Abstellungen von
Lokomotiven völlig logisch.
Wie bereits
kurz angeschnitten traf es zuerst die 1000 PS-Maschinen, also die
ältesten Lok mit Stufengetriebe. Mangels Bedarfs wurden viele
Lok betriebsfähig hinterstellt und standen ihre Fristen ab.
Deshalb erhielten auch noch fast alle Maschinen die ab 01.01.92
gültige Baureihenbezeichnung 201 angeschrieben. Für 43
Maschinen mit Stufengetriebe gab es aber ein Comeback. Sie
erhielten ab Frühjahr 1992 im Raw Stendal das hydrodynamische
Wendegetriebe, wie bereits die 2 langjährigen Probelokomotiven,
und wurden als BR 298 wieder in Betrieb genommen.
Bevor die BR
201 aber vollständig abgestellt werden konnte, vergingen noch
einige Jahre. An einzelnen Loks führte das Raw Stendal in den
Jahren 1991 - 1993 sogar noch eine Hauptuntersuchung durch. Am
03.03.93 verließ
201 734-1
als letzte derartig untersuchte 201 das Ausbesserungswerk.
Ebenfalls 1993 sind die ersten endgültigen Ausmusterungen zu
verzeichnen. Durch neu angelieferte Triebwagen der BR 628 gab es
weitere Leistungsverlagerungen zu ungunsten der V 100, so dass bis
zum Jahresende 1995 der Betriebsbestand auf zehn 201er bei den Bw
Halle G und Reichenbach zusammengeschrumpft war. Die letzten 4
wurden im Januar 1997 in Reichenbach abgestellt, 3 Monate später
wegen Lokmangels (!?) aber wieder eingesetzt. Diese Episode
dauerte dann noch bis zum Jahresbeginn 1998, dann war endgültig
Schluss.
Obwohl auch
zeitweise einige 112er, die ab 01.01.92 zur 202 wurden,
abgestellt waren, blieb diese Baureihe voll im
Unterhaltungsbestand. Die Leistungen freilich, die man jetzt mit
ihr, oder gar mit einer 219 fuhr, hätten auch locker für eine
201 gereicht. Übermotorisierung nennt man das. Aber auch hier
machten ab 1994 die 628er zunehmend das Leben schwerer.
Streckenstilllegungen setzten die Schienenbusse der Reihe 771 /
772 frei und verdrängten ebenfalls die 202. Güterverkehr fand
nur noch in geringen Umfang statt. Die Deutsche Bahn AG, 1994
entstanden, setzte im SPNV ohnehin auf Triebwagen und bestellte
diese in großem Umfang, was zur Folge hatte, dass die
notwendigen Hauptuntersuchungen ab Sommer 1994 nur noch in
Einzelfällen durchgeführt wurde.
Das Jahr 1997
steht für zwei Geschehnisse, die einen äußerst negativen
Einfluss auf die 202 hatten. Zum ersten wäre hier, die
Auflösung des Geschäftsbereiches (GB) Traktion zu nennen. Alle
Tfz waren seit der Bahnreform diesem GB zugeordnet gewesen, und
die fahrenden GB mieteten sich für zu fahrenden
Leistungen die benötigten Loks von Traktion. Diese Konstellation
bewährte sich jedoch nicht, so dass 1997 die Lokomotiven auf die
GB Fern-, und Nahverkehr sowie DB Cargo aufgeteilt wurden. Die BR
201/202 wurde dem Nahverkehr zugeordnet. Dadurch entfielen fast
alle Güterzugleistungen für unsere Baureihe, da DB Cargo sonst
an die Nahverkehrssparte hätte Miete zahlen müssen. Ebenfalls
in das Jahr 1997 fällt die Entscheidung, für alle V 100 die
Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabzusetzen. Als Begründung
wurde dabei genannt, dass die Loks unzulässige Querkräfte auf
den modernen Oberbau der DB übertragen und diesen dabei
beschädigen. Damit waren Einsätze auf Hauptbahnen fast nicht
mehr möglich. Überall wo schneller als 80 km/h gefahren werden
konnte, setzte man nach Möglichkeit andere Lokomotiven ein.
Da die
bestellten Triebwagen auf sich warten ließen, mussten
weitere Hauptuntersuchungen genehmigt werden. So wurden
1996 - 98 wider Erwarten an einigen Loks Revisionen
durchgeführt. 13 Lok erhielten dabei einen orientroten
Anstrich mit weißer Kontrastfläche entsprechend dem
Farbschema der DB bis 1997. Die Lackierung entspricht
dabei in etwa ihrem westdeutschen Pedant, der DB V 100 (ab
1968: 211 & 212), optisch ansprechend ist sie nicht.
Nicht viel besser ist aber der verkehrsrote Anstrich mit
weißem Kontrastbalken, wie er ab 1997 ausgeführt wird.
12 Maschinen sind so lackiert wurden.
202 726-6 am 16.06.2000 in Amstetten
Foto:
Stefan Brassat
Die letzten
Einsatzjahre zeigten ein Bild es Jammerns. Kaum ein Zug bestand
aus mehr als 2 Wagen. Hauptaufgabe war u.a. der Ersatzverkehr
für ausgefallene 219er Wendezüge oder Triebwagen. Die
Fahrpläne ließen vielerorts ein Umsetzen der Zuglok am
Endbahnhof nicht mehr zu, oder es gab bereits gar keine Weichen
mehr, über die man hätte umsetzen können. Aus diesem Grund
setzte man sogenannte Sandwich-Züge ein, mit je einer Lok an
beiden Zugenden. Vielfach bestanden diese Züge aus einem (!)
Wagen und zwei (!) Lokomotiven. Die verstärkte Auslieferung der
neuen Triebwagen, nicht zuletzt der mittlerweile auch
allgegenwärtigen BR 642, setzte diesem Treiben ein Ende. Im
Betriebshof Görlitz wurden im September 2001 die letzten 5 Lok
abgestellt.
Die BR 204
wird ihre Schwestern wahrscheinlich nicht lange überleben. Bei
der Aufteilung auf die Geschäftsbereiche, waren die 204 ebenso
wie die 298er zu DB Cargo gekommen. In den Bestandslisten hatte
es bis dahin viele Änderungen gegeben, so waren einige Bw
zwischenzeitlich aufgelöst worden. So kamen die Kamenzer Loks zu
Dresden, die aus Aue über Zwickau ebenfalls dorthin. Der Rest
verteilte sich auf Erfurt (hatte 1996 die Saalfelder Maschinen
übernommen), Halle G sowie L.-Wittenberg. Die Einsatzgebiete
waren aber bislang im Wesentlichen gleich geblieben. Das änderte
sich nun. Jetzt standen quasi nur noch Güterzüge auf dem
Programm. Deshalb wurden die Loks über ganz Ostdeutschland
verteilt. Saalfeld war wieder dabei, ebenso Zwickau. Neu waren
die Loks u.a. in Seddin und Magdeburg. Bis zum Jahr 2001 waren
die 65 Loks voll im Unterhaltungsbestand. 1997 erhielten
204 664-7 und
204 789-2 den orientrot-weißen Anstrich, danach etliche
den verkehrsroten. Aber mit der Ablieferung der
204 641-5 im Mai 2001 endeten die
Hauptuntersuchungen. Ein besserer Zuschnitt auf die Bedürfnisse
von DB Cargo, indem man die Dampfheizung aus- und ein
Warmhaltegerät einbaute, half hier nichts. Ab Mai 2001 wurden
die Lok abgestellt. Selbst kleine Reparaturen werden mitunter
schon nicht mehr ausgeführt. Dieses plötzliche Ende hat vor
allem einen Grund: Mora C. Dieses Programm, dass
Kostendeckung des Wagenladungsverkehrs zum Ziel hat, aber auf
einen Rückzug aus der Fläche und die Konzentration auf den
Ganzzugverkehr hinausläuft, führt zu einer drastischen
Reduzierung der Verkehrsleistung durch DB Cargo. Viele
Lokomotiven wurden so bundesweit ab 01.01.02 einfach nicht mehr
benötigt und wurden abgestellt.
Und doch taten sich ungeahnte
Perspektiven auf. Während einige 204er ein neues
Betätigungsfeld bei einer Tochtergesellschaft von
DB Railion in Rumänien
bzw. Bulgarien
fanden, versuchten andere Maschinen gar im Westen Fuß zu
fassen. Ende 2004 wurden die letzten 212er DB auf das
Abstellgleis geschoben. Als Ersatz für die bis dahin im
Raum Würzburg, vor allem im Militärverkehr nach
Hammelburg oder Tauberbischofsheim, eingesetzten West-V 100 erkor
man nun die Ost-V 100. Um es kurz zu machen: das Vorhaben
scheiterte auf der ganzen Linie. Sei es, weil die Lokführer mit
der Lok nicht zurecht kamen (oder kommen wollten), oder die
Unterhaltung zu aufwändig war - die Loks standen mehr, als das
sie fuhren. Apropos Unterhaltung. Kleinere Reparaturen fanden in
Nürnberg statt, größere weiterhin in Saalfeld. Auf alle Fälle
mussten die Loks immer dorthin als Lokfahrt überführt werden,
denn eine passende Zugleistung gab es nicht. Nach einem Jahr, im
Dezember 2005, war das Experiment Würzburg
vorbei. Seitdem laufen 225 oder 217 in den Würzburger Plänen
und die 204er gingen zurück nach Saalfeld, wo sie ihrerseits von
zwei angemieteten V180 der
Mitteldeutsche
Eisenbahn Gesellschaft mbH (MEG) - immerhin auch eine Railion-Tochter - vertreten
worden waren. Seitdem sind die 204er wieder vorrangig im
Güterverkehr zwischen Saalfeld und Lobenstein im Einsatz. Wie
lange dieser allerdings noch währt kann derzeit im Frühjahr
2006 noch nicht gesagt werden. Spätestens im Mai 2009 laufen
auch bei der letzen Lok die Fristen ab. Adäquater Ersatz
ist allerdings nicht in Sicht.
Wie lange die 298er noch überleben ist
derzeit (Frühjahr 2006) noch unklar. Diese Unterbaureihe
entstand wie bereits beschrieben aus den 110.0-1 und den 111. Da
die Ordnungsnummern der ex 110er beibehalten wurden, erhielten
die ex 111er zur Vermeidung von Überschneidungen um 300 erhöhte
Betriebsnummern. Daher ist ihre Herkunft eindeutig auszumachen.
Nachdem 1993 zwei Loks an die
Stahlwerke Thüringen GmbH
(SWT) verkauft worden waren, verblieben noch
80 Loks im Bestand. Alle Lok erhielten 1997 / 98
Funkfernsteuerung und Warmhaltegeräte. Zur Unterscheidung dieser
Lokomotiven war ursprünglich die Vergabe der
Baureihenbezeichnung 297 geplant gewesen. Da aber alle Maschinen
entsprechend ausgerüstet wurden, was nicht von vorn herein
geplant war, ließ man diesen Plan fallen. Mittlerweile besitzen
auch alle ein verkehrsrotes Farbkleid, teilweise mit dem DB-Cargo
Logo. Orientrote Loks gab es hier nicht. Zwischenzeitlich
war 2003 / 2004 geplant worden, alle Exemplare umfassend zu
modernisieren und neu zu motorisieren. Leider wurde das
ambitionierte Projekt mittendrin gestoppt. Da 4 Motoren bereits
beschafft worden waren, wurden im Jahr 2005 doch noch vier
Maschinen umgebaut. 20 Lokomotiven, die bis zum Frühjahr
2006 Fristablauf hatten oder größere Schäden erlitten, wurden
abgestellt. Mit weiteren Ausreihungen ist nun erst wieder im Jahr
2007 zu rechnen. Ob bis dahin wieder Hauptuntersuchungen, mit
oder ohne Neumotorisierung, genehmigt werden, ist unklar.
Und die Baudienstlokomotiven? Alle
Maschinen der BR 710 (bis auf
710 960-6) wurden bereits Ende 1994
an die Deutsche
Gleis- und Tiefbau GmbH (DGT) verkauft, aber buchmäßig erst
rückwirkend zum 01.01.97 im Mai 1997 aus dem Bestand gestrichen.
Zwischenzeitlich wurden davon mehrere Lok an andere Firmen
weiterverkauft. 5 Loks sind aber noch dort eingestellt und auch modernisiert
worden. Dabei kam es zu einem Tausch mit anderen V 100, so dass
sich teilweise nicht mehr die Originallokomotiven hinter den nach
wie vor angeschriebenen Nummern befinden.
Während
sich also bei der Deutschen Bahn die Ära der V 100 dem
Ende zuneigt. Geht bei Privatbahnen die Karriere weiter.
Begonnen hat dieses Kapitel 1996. Die
201
881-0 wurde bei
der RFG in Reichenbach im Auftrag von ABB Henschel
(später Adtranz, heute
Bombardier) einer gründlichen
Modernisierung unterzogen. Ein neuer Motor und eine
elektrische Zugheizung bildeten das Kernstück. Als
201
999-0 wurde sie kurzzeitig bei der DB einer Erprobung
unterzogen und dann interessierten Firmen vorgestellt.
Mit der Liberalisierung des Netzes der DB haben auch
andere EVU eine Zugangsberechtigung erhalten. Ihnen
mangelt es jedoch an Lokomotiven. Da neue Loks in der
Regel zu teuer sind, wären hier gebrauchte bzw.
modernisierte Lok genau richtig. Die DB wollte den neuen
Konkurrenten aber keine überzähligen Tfz verkaufen. Da
traf es sich gut, dass ABB Henschel bereits 1994 / 95
einige Loks von der DR / DB gekauft hatte. Auch bei
Industriebetrieben im Osten bzw. in Tschechien wurde man
fündig, kaufte diese Loks auf bzw. ließ sie
modernisieren.
201 999-0 (ex 201 881-0) am 01.02.97 in Geithain
Foto:
Dieter Römhild
Diese Verweigerungshaltung der DB ging
also nicht nur nach hinten los, sondern kostete obendrein noch
Geld, da man für das verschrotten lassen einen nicht
unerheblichen Geldbetrag aufwenden muss. 1999 setzte zumindest
teilweise ein Sinneswandel ein. Das
Schienenfahrzeugzentrum Stendal untersuchte 5
bereits ausgemusterte 202, baute dabei die Heizkessel aus und
bezeichnete die Loks als
203 501-2 bis
203 505-3. Diese Maschinen
bildeten den Grundstock eines Lokpools des Stendaler Werkes, aus
dem sich EVU oder Baufirmen Lokomotiven anmieten können. Ein
Grund hierfür könnte sein, dass Werk und Loks DB-Regio
zugeordnet sind. Da auf unabsehbare Zeit hinaus der
Personenverkehr im Leistungsbereich der V 100 durch moderne
Triebwagen abgewickelt wird, sieht man offenbar hier keine
direkte Konkurrenz.
Im
September 2000 wurde auf der Innotrans mit der
203 001-3
eine im
Schienenfahrzeugzentrum Stendal umfassend modernisierte 202 der
Öffentlichkeit vorgestellt. Merkmale dieser
Edel-V 100“ sind u.a. eine neuer CAT- oder MTU-Motor, eine durch
konstruktive Änderungen an den Drehgestellen Wiederzulassung der 100 km/h,
Warmhaltegerät statt Heizkesselanlage und ein gegenüber der Spenderlokomotive
leicht versetztes Führerhaus. Mittlerweile ist in Stendal nicht nur die
Serienfertigung angelaufen, sondern man hat auch abgespeckte Varianten im
Angebot (z.B. geringere Motorleistung und Beibehaltung der 80 km/h
Höchstgeschwindigkeit) um dem Bedarf besser gerecht zu werden. Die Kunden können
die Loks entweder kaufen, über Leasing finanzieren, oder sie sich für kürzere
Zeiträume aus dem Lokpool anmieten.
203 001-3 (ex 202 349-7) auf der Innotrans 2000 in Berlin
Foto:
Sebastian Schrader