Die Phantom-Lokomotiven V 100 172 und 173
(FW) Wer das
Gerücht in die Welt setzte, es hätte die V 100 172 und V 100 173 gegeben
ist nicht bekannt. Die erste bekannte Erwähnung findet sich im
Diesellok-Archiv von Glatte (transpress 1981). Viele
Fachautoren übernahmen offensichtlich diese Angabe, denn immer
wieder finden sich in den einschlägigen Medien die Loknummern V 100
172 und V 100 173.
Hier soll mit
der Vorstellung aufgeräumt werden, dass ... nachdem die
Probelokomotiven
V
100 001'
und
V
100 002'
bei einem Brandunglück (Großbrand am 19.12.1968 im Raw Cottbus)
verloren gegangen waren, ... die Lokomotiven V 100 172 und V 100
173 in
V 100 001''
und
V 100 002''
umgezeichnet (wurden), um diese Lücken zu schließen. So
schreibt Glatte im Diesellok-Archiv und viele haben es übernommen.
Das
Betriebsbuch der
V 100 002''
(ab 01.07.70
110 002-3, ab 01.01.92
201 002-3) konnte 1994
eingesehen und damit der tatsächliche Vorgang ermittelt werden.
Die im Betriebsbuch enthaltenen Unterlagen beziehen sich
teilweise auch auf die andere Lokomotive, so dass auf ein
gemeinsames Schicksal geschlussfolgert werden kann.
Im März 1969
lieferte das LEW Hennigsdorf mit den Fabriknummern 12403/1969 und 12404/1969 die beiden
Lokomotiven aus. Unmittelbar daran folgte mit den Fabriknummern 12405 / 1969 ff. die Serie ab
V 100 104 (verspätete Abnahme erst am 28.04.69,
V 100 105 wurde bereits am 20.03.69 abgenommen).
Ein genaues Abnahmedatum ist allerdings für die unsere beiden
Loks nicht bekannt. Das weitere Geschehen ist dem
Abnahmeprotokoll vom 19.11.69 zu entnehmen, als die Lok der DR übergeben
wurde: Die Diesellok V 100 wurde im März 1969 an den
VEB Kali- und
Steinsalzbetrieb Saale, Werk Bernburg ausgeliefert.
Die Umrüstung (so!) an die DR erfolgte, nachdem festgestellt
wurde, dass die Lok im
VEB Kali- und
Steinsalzbetrieb Saale, Werk Bernburg nicht eingesetzt werden kann.
Nach erfolgtem Einbau der Heizkesselanlage und Anpassung an die
Serie 1969 erfolgte die erneute Abnahmefahrt am 28.10.69 über
120 km.
Beim Nachweis
der Probefahrten ist offensichtlich etwas durcheinander geraten.
Ohne Datumsangaben erfolgt der Hinweis, dass eine Leerprobefahrt
von Hennigsdorf nach Alt-Strelitz und eine Lastprobefahrt nach Löwenberg
erfolgte. Eine allererste Probefahrt erfolgte am 11.03.69.
Ausgehend von der Angabe, dass die Fahrt am 28.10.69 über 120 km
führte, kann vermutet werden, dass die Angaben über die Leer-
und Lastprobefahrt verfälscht sind. Möglicherweise führte die
Fahrt am 11.03.69 nach Alt-Strelitz und die Fahrt am 28.10.69
nach Löwenberg. Insbesondere deshalb, weil dass LEW in der Regel
keine separaten Leerprobefahrten durchführte, sondern zunächst
eine Lz-Fahrt erfolgte, und dann ein Zug, mitunter zurück nach
Hennigsdorf, bespannt wurde. Ansonsten finden sich über die
Streckenführung am 11.03.69 keine Angaben.
Im
Betriebsbuch finden sich keinerlei Anhaltspunkte für eine
Bezeichnung als V 100 173, vielmehr fand die Probefahrt im Oktober
bereits mit der
V 100 001''
statt, und die Abnahme erfolgte ausdrücklich als
V100 002''. Damit ist die Existenz von V 100 172 + V 100
173 hinreichend widerlegt - obwohl es natürlich möglich ist,
dass in den Führungsetagen der Deutschen Reichsbahn kurzzeitig
erwogen wurde, den Loks diese Nummern zuzuteilen. Getragen haben
sie die aber offensichtlich nie.
Gleichwohl
bleiben Fragen. Warum konnten die 2 Werkloks im
VEB Kali- und
Steinsalzbetrieb Saale, Werk Bernburg nicht eingesetzt werden? War das
Scheitern auch ein Grund dafür, dass erst 1981 wieder
Lokomotiven des Typs V 100 an Industriebetriebe der DDR geliefert
wurden? Die
V 100 001''
wurde erst im März 1970 (also 5 Monate nach der (ersten)
Probefahrt) abgenommen. Welchen Ursachen gab es hierfür? Und
nicht zuletzt: Warum vergab die DR die Ordnungsnummern 001 und
002 erneut (bzw. erstmalig, da die Prototypen ja nicht übernommen
wurden)? Gerade die Ordnungsnummern 172 + 173 wären viel
sinnvoller gewesen, da die Maschinen ja in die letzte Lieferserie
der Stufengetriebe-Lokomotiven gehören und sich damit teilweise
erheblich von den Lokomotiven der ersten Baulose unterschieden.