Beschaffung
(FW)
Als der Lokomotivbau Karl Marx in Babelsberg
auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1964 die
V 100 001 , und ein
Jahr später die V 100 002 der Öffentlichkeit vorstellte,
ahnte wohl noch niemand, dass hier die Keimzelle einer
sehr erfolgreichen Lokfamilie auf die Schienen gestellt
wurde. Die V 100 war in der ursprünglichen Typenplanung
noch nicht enthalten gewesen, doch zeigte sich recht
bald, dass die Leistungslücke zwischen der V 60 mit 650
PS und der V 180 mit 1800 bzw. 2000 PS recht groß war. Um
sie zu schließen wurde 1962/63 eine weitere Loktype mit
1000 PS in Auftrag gegeben.
Die
V 100 001 besaß eine blaue Farbgebung und
noch einen 900 PS-Motor, den man von der V 180 übernommen
hatte.
V 100 001 am 10.03.1964 auf der Frühjahrsmesse in Leipzig
Foto: Archiv Wolf R.Harnisch
Die
V 100 002 war
rotbraun-weiß. In ihr war bereits der spätere
Serienmotor 12 KVD 21-A2 eingebaut. Überhaupt bestand die
Aufgabe der Konstrukteure darin, so viele Teile als
möglich von den bereits erwähnten Baureihen V 60 und
V 180 zu übernehmen. Beim Dieselmotor, dem Getriebe, dem
Heizkessel, sowie weiteren Baugruppen wurde dies
verwirklicht.
Dem
internationalen Trend folgend, entwickelte man eine
einmotorige Diesellok mit hydraulischer Kraftübertragung
und erhöhtem Mittelführerstand, um dem Lokführer in
beiden Fahrtrichtungen einen guten Blick auf die Strecke
zu ermöglichen. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 100
km/h.
V 100 002 auf der Frühjahrsmesse 1965 in Leipzig
Foto: Archiv www.v100-online.de
Zwischenzeitlich
war entschieden worden, die V 100 vom LEW Hennigsdorf
bauen zu lassen. Aus diesem Grund lieferte LEW eine
dritte Vorauslokomotive, die
V 100
003. Sie erhielt
einem silbergrauen Grundanstrich mit grünen Zierstreifen
und grünem Dach. Diese Lok ist übrigens erhalten
geblieben, und erstrahlt heute wieder so, wie sie auf der
Frühjahrsmesse 1966 der Öffentlichkeit vorgestellt
wurde. Sie gehört jetzt dem Förderverein Berlin-Anhaltinische
Eisenbahn e.V.
in Lutherstadt Wittenberg. Die Vorserienfahrzeuge
ermöglichten es, konstruktive Schwächen zu erkennen und
andere Lösungen für die Serienfertigung zu erarbeiten.
So besaß beispielsweise die
V 100 001 noch eine
Kombination aus Blatt- und Schraubenfedern. Die
V 100 002 hatte dann
schon eine Schraubenfederung mit Stoßdämpfern.
V 100 003 1965 vor der VESM in Halle(Saale)
Foto: Sammlung Ralf Wohllebe
Ab Januar
1967, beginnend mit der V 100 004, lieferte schließlich LEW Hennigsdorf 168
Exemplare unserer Baureihe aus. Mit der
V 100 171, die am 30.12.69 von der DR abgenommen
wurde, war die Fertigung dieser vom Hersteller als Bauart
V 100.1
bezeichneten Serie zunächst abgeschlossen.
Diese Loks
hatten bereits die bekannte bordeauxroten Farbgebung der
Reichsbahn. Die ersten Exemplare (nachgewiesen bis mindestens zur
V 100
013) besaßen noch eine
Lackierung etwa analog der
V 100 002 mit weißer Lackierung der Vorbauoberteile
inklusive des Führerhauses. Anstatt der 2 unterschiedlich hohen
Seitenstreifen, besaßen sie nur einen relativ breiten, der
direkt in Höhe des Rahmens begann. Aus wahrscheinlich optischen
Gründen wurde dann Farbgebung geändert und nun die
wahrscheinlich ansprechenste Variante eingeführt. Die Aufbauten
waren nun komplett rot, jedoch wieder 2 unterschiedlich hohe
Zierstreifen analog V 100 002. Ab der
V 100 044 wurde die Ausführung der Vorbauten
geändert, die nun mit Spannelementen am Rahmen befestigt wurden.
Erkennbar ist die neue Variante an den vorn und an den Seiten
überkragenden Oberteilen der Vorbauten. Ebenso wurde ab
V 100 044 des endgültige, klassische Lackierungsschema
eingeführt: rote Aufbauten, ein umlaufender beigefarbener Zierstreifen, der nun
etwas oberhalb des Rahmens ausgeführt wurde.
Bei einzelnen
Loks fand eine Komponentenerprobung von einzelnen Bauteilen
statt. Zu nennen wären hier u.a. die
V 100 041 mit einer automatischen
Mittelpufferkupplung, oder die
V 100 137, die versuchsweise einen 1200 PS / 883 kW- Motor
eingebaut bekam. Nicht zu vergessen die
V 100 017 und
V 100 034 die im Raw Karl-Marx-Stadt einer Probezerlegung
unterzogen wurden.
Das Baumuster
V 100 002 wurden von der DR nicht übernommen.
Unglücklicherweise wurden sie, sowie die
V 100 001,
V 100 027 und
V 100 061 bei einem
Großbrand am 19.12.68 im für die Unterhaltung der Loks zuständigen Raw Cottbus
zerstört. Die freigewordenen Nummern der 001 und 002 besetzten 2 weitere
Lokomotiven, die die DR im November 1969 und März 1970 vom
VEB Kali- und
Steinsalzbetrieb Saale, Werk Bernburg übernahm. Über diese Geschichte wird in einem
gesonderten Beitrag berichtet werden (Phantomloks), gilt es doch mit einer hartnäckigen
Legende aufzuräumen.
Parallel zum
Bau der Lokomotiven bis zur
V 100 171 wurde vom LEW eine Weiterentwicklung der Bauart
betrieben. Hintergrund war, dass die bisher gelieferten Tfz ein
Stufengetriebe mit einem Langsam- und einem Streckengang hatten.
Der Langsam- oder auch Rangiergang (v/max 65 km/h) genannt,
ermöglicht es, die Lok auch im Rangiergeschäft oder im schweren
Güterzugdienst einzusetzen. Es hatte sich jedoch herausgestellt,
dass diese besonderen Dienste nur einen geringen Teil des
Einsatzspektrums darstellen. Deshalb wurde in die ab Januar 1970
gelieferten Lokomotiven (die
V 100 201 als Vorauslok bereits im November 1969) das
Stufengetriebe nicht mehr eingebaut. Dies hatte auch den Vorteil
der Masseneinsparung, zusammen mit weiteren Verbesserungen sank
die Leermasse von 61,2 auf 58,7 t, die Dienstmasse von 66,1 auf
63,2 t. Die mittlere Achslast konnte auf 15,4 Mp (vorher 16,5 Mp)
gesenkt werden. Dadurch waren die Loks noch besser auf den
Nebenbahnen mit schwachem Oberbau einsetzbar und wurden daher ein
Mädchen für alles. Zur besseren Unterscheidung der
beiden V 100-Spielarten, wurden die Loknummern V 100 172 bis V 100
200 nicht besetzt. Das heißt, alle Loks ab
V 100 201 besaßen also nur noch den Streckengang.
Bis zum
Frühjahr 1978 wurden bis zur
110 896-8 insgesamt weitere 696 Exemplare in mehreren
Baulosen vom LEW Hennigsdorf an die Deutsche Reichsbahn
geliefert. Da ab 01.07.70 bei der DR ein neues, EDV-gerechtes
Nummernsystem für Triebfahrzeuge eingeführt wurde, erhielt die
V 100 die neue Baureihenbezeichnung 110. Ab Ordnungsnummer 241
erhielten die Loks die neue Baureihennummer. Erwähnt sei an
dieser Stelle noch, dass ab diesem Baulos neuartige Achsgetriebe
eingebaut wurden. Diese Änderung ist für den Laien von außen
aber nicht sichtbar. Erkennbar ist jedoch eine kosmetische
Änderung, die ab
110 261-5
wirksam wurde: die seitlichen Rahmenverkleidungen wurden
weggelassen, so dass nun die darunter liegenden Leitungen nicht
nur sichtbar, sondern auch besser zugänglich wurden. Bis zum
Ende der Beschaffung gab es keine weiteren wesentlichen
Änderungen mehr.
Ende der 70er
Jahre hatte die DR Bedarf an weiteren schweren Rangierlokomotiven. Das LEW hatte bereits solche
Lokomotiven für den Export entwickelt, dazu aber später. Als
Werksbezeichnung V100.4 lieferte Hennigsdorf von Sommer 1981 bis
Frühjahr 1983 in 3 Baulosen insgesamt 37 Lokomotiven aus, die
die Reichsbahn von
111 001-4 bis
111 037-8 einordnete. Diese Lokomotiven hatten den
bewährten 1000 PS / 736 kW Motor, jedoch ein Getriebe mit
geänderter Übersetzung, ähnlich den ersten V 100-Lokomotiven.
Die Höchstgeschwindigkeit beträgt daher nur 65 km/h. Der
Heizkessel wurde entfernt, dafür ein Ballastgewicht eingebaut.
Äußerlich waren diese Loks vor allem an ihrem orange-gelben
Anstrich zu erkennen, wie ihn alle DR-Rangierlokomotiven trugen.
Nicht zu vergessen die Geländer an den Vorbauten, die dem
sicheren Aufenthalt des Rangierpersonals während der Fahrt
dienten.
Desweiteren
beschaffte die DR 11 Lokomotiven vom Typ
V 100.5 (Baureihe 110.9).
Die Geschichte dieser Lokomotiven ist noch nicht lückenlos
geklärt, auch weil sich die Quellen teilweise widersprechen.
Bereits 1976 wurde der erste Prototyp an die Reichsbahn
übergeben. Über diese Lokomotive wird, da es hier noch
Ungereimtheiten im Zusammenhang mit zeitgleich gelieferten
Normal-110 gibt, auf einer Sonderseite über die
"Die unbekannte Lok 110 960-2" berichtet.
1981 wurde mit
110
961-0 eine Lok für den
Transport und Antrieb einer
Hochleistungsschneefräse
(HSF) beschafft.
1983 dann mit
110 962-8
110 970-1
weitere 9 Maschinen für den Einsatz mit sogenannten
Grabenräumeinheiten (GRE). Alle diese Loks (bis auf
110 960-2) hatten ein Erscheinungsbild analog der
BR 111, technisch waren sie aber 110er mit 100 km/h. Wichtigstes
Element ist aber ein Nebenantrieb an der Motorseite, um die
GRE bzw.
HSF
anzutreiben. Diese Loks waren nicht den Bahnbetriebswerken, sondern den
Oberbauwerken (Obw) der DR zu geordnet. Sie wurden daher nicht im regulären
Zugdienst eingesetzt. Die Unterhaltung wurde meist in den Obw nahegelegenen Bw
durchgeführt. Man war dabei jedoch sehr flexibel und ließ schon mal die
Fristuntersuchungen dort ausführen, wo man gerade im Einsatz war.
Zwei
weitere Lok sind ebenfalls noch zu erwähnen. Mit
111 991-6 gelangte kurzzeitig eine vom
VEB BKW "Erich Weinert" Deuben angemietete Werklok in den Bestand der
DR. Beheimatet war sie 1982 in den Bw Röblingen und
Leipzig Süd. Möglicherweise wurde sie auch mehrfach
angemietet. Quellen und Sichtungen darüber sind rar. Auf
jeden Fall trug die Maschine noch 1997 ihre seinerzeit
angebrachte Nummer
111 991-6. Über eine weitere Lok ist noch weniger
bekannt. Gemäß LokMagazin 2/99 soll es sich dabei um
die
111
982-5 gehandelt haben,
die die DR 1985 vom VEB BKW "Erich Weinert" Deuben angemietet hat. Weitere
Einzelheiten sind aber nicht bekannt.
111 991-6 am 24.08.1982 in Röblingen am See
Foto:
Hans-Peter Waack
Wie bereits
angedeutet, beschaffte nicht nur die DR V 100. Bereits
1969 bekam der
VEB Kali- und
Steinsalzbetrieb Saale, Werk Bernburg 2 V 100, die sich dort aber nicht
bewährten und schließlich an die DR abgegeben wurde.
Insgesamt 190 Exemplare der Typen
V 100.2 (Exportvariante
auf Basis V 100.1) und
V 100.3 (verstärkte Exportvariante)
wurden von 1974 1982 nach
China geliefert. Fotos zu Folge hatte
der Typ V 100.2 den gleichen Anstrich wie die DR-Loks,
wobei der Rot-Ton (auf den Fotos) eher ins orange geht.
Zwei Loks vom Typ V 100.2 bei der Verschiffung in Rostock
Foto:
Sammlung Johann Walter
Der Typ
V 100.3
war wohl grün lackiert, mit gelben Streifen. An äußerlichen Merkmalen
sind ein geänderter Zugang zum Führerstand (jetzt über den Umlauf
erreichbar) und ein großer Scheinwerfer anstelle des 3.Spitzenlichts zu
nennen.
NY 17886 am 29.10.2000 im Stahlwerk Beijing
Foto:
Bernd Seiler
Schließlich
wurden von 1981 bis 1983 27 Lok des Typs
V 100.4 (analog BR 111)
an verschiedene DDR-Betriebe als Werklok geliefert. 4 weitere
gingen in die CSSR, wurden aber nach der Wende von deutschen
EVUs zurückgekauft.
Auch der Typ
V 100.5 wurde ins Ausland verkauft. Die erwähnte
GRE wurde
gemeinsam von DR und den Tschechoslowakischen Staatsbahnen (CSD) entwickelt, die dafür dann auch die
entsprechenden Tfz benötigte. 7 Loks gingen ins das
Nachbarland. Nach der Aufspaltung der
CSSR erhielt die Tschechsiche
Staatsbahn (CD) 5 Loks,
2 gingen an die Slowakische Staatsbahn (ZSR). Hinzu kam dann noch die ehemalige DR
110 969-3, die zu einem
1987
dorthin abgegeben wurde.
Insgesamt
produzierte der LEW Hennigsdorf im Zeitraum von 1966 bis 1983
(also 17 Jahren) 1143 Maschinen vom Typ V 100 (zuzüglich der 2
Baumuster vom LKM von 1964 /65). Ein stolze Bilanz einer sehr
erfolgreichen Lokfamilie.